Synopsis
August 2018. Es sind vier Monate vergangen, seitdem in Nicaragua ein seit 1979 beispielloser Volksaufstand die Regierung Daniel Ortegas und Rosario Murillos – eine de facto Diktatur – in Schach hielt. Man zählt die Toten sowie die politischen Gefangenen und Verschwundene zu hunderten. Die Polizeikräften, Armee und, vor allem Paramilitärs, haben eine regelrechte Jagd von Haus zu Haus angefangen, um die wichtigsten Anführer des Aufstandes zu inhaftieren, zu denen Bauern, Journalisten, Umweltaktivisten und ehemalige sandinistische Guerrilla-Kämpfer gehören.
In diesem Terror-Kontext schleust sich ein spanischer Journalist und Hochschulakademiker in die Widerstandsbewegung gegen das Ortega-Regime ein, er ist ein Kenner der Sandinistischen Revolution und möchte aus erster Hand den Gegenstand einer Protestwelle, die weit über eine weitere Revolte hinausgeht, kennenlernen. Mit einem direktem Stil und einer Erzählweise, die vom rein Literarischen zum streng Journalistischen übergeht, werden im Film wertvolle Berichte von Protagonisten erstellt, die kurz darauf ins Exil gingen oder vom Ortega-Regime inhaftiert wurden.
Von der Rolle der katholischen Kirche, über die Feministen, die LGTB-Gemeinschaft, den esoterischen Charakter des Sandinistischen Regimes, die Rolle der ärmsten sozialen Schichten, die führende Rolle der Studenten, denen man Monate zuvor den Vorwurf machte, keinerlei soziale oder politische Interessen zu haben, bis hin zu der Entstehung neuer führenden Kräfte, werden im Laufe des Films die Fakten aufgezählt, stets in großer Gefahr, von den repressiven Kräften des Regimes aufgehalten zu werden. Berichte, die allen Gesichtern eines Volksaufstands Gestalt verleihen, der auf den friedlichen Weg gesetzt und die alte Losung der Sandinistischen Revolution „Freies Vaterland oder Sterben“ in die hoffnungsvolle „Freies Vaterland, um zu leben“ umgewandelt hat.
Kontext:
Der aufstand vom April 2018
Eine friedliche Demonstration, die am 18. April 2018 stattfand und von der Regierung verlangte,sie sollte die angekündigte Rentenreform rückgängig machen, wird zu einer beispiellosen sozialen Rebellion - nur übertroffen von der im Jahre 1979, als die Sandinistische Front für die Nationale Befreiung die Diktatur der Somoza-Dynastie stürzte.
Es sind fast vierzig Jahre vergangen seit dem Sieg der Revolution. Währenddessen ist der Berliner Bauer gefallen, die Sowjetunion untergegangen, der internationale Terrorismus hat ein Besorgnis erregende Führungsrolle erlangt, und der Drogenhandel und die Gewalt dienen als Zahlungsmittel in Lateinamerika. Nach 17 Jahren neoliberaler Regierungen kamen die Sandinisten 2007 erneut an die Macht. Doch sie sind nicht mehr dieselben. Wie kommt es, dass die ehemaligen Befreier die Unterdrücker von heute sind? Die vorliegende Arbeit dringt in das Herz des sogenannten April-Aufstandes durch die Stimmen derjenigen, die vor vierzig Jahren die Revolution anführten und die von denen, die heute auf die Straßen gehen und der Repression die Stirn bieten – durch die Stimme der Enkelkinder der Revolution und vor allem der Kinder und Enkelkinder jener Revolution, die heute den Comandante Daniel Ortega ablehnen, weil sie ihn als einen neuen Diktator sehen, der die Gewalttaten der Somoza-Dynastie in den Schatten gestellt hat.
Laut vertrauenswürdigen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, Amnesty International oder Human Rights Watch sind über 500 Menschen in Nicaragua von Polizei und regierungstreuen paramilitärischen Kräften ermordet worden, seit die ersten Proteste ausbrachen. Außerdem gibt es etwa zweitausend Verwundete und hunderte politische Gefangene, unter ihnen einige der prominentesten Journalisten, einfach aus dem Grund, an den Protesten gegen die Regierung teilgenommen zu haben.
Die verarbeitung
Die thematische Verarbeitung dreht sich um die persönlichen Berichte der Hauptakteuren dieses Volksaufstandes: Vertreter von Bauernorganisationen, studentische Anführer, Kirchenvertreter und Vertreter anderer ziviler Organisationen gestalten eine Geschichte, die sich mit der Vision einiger der Protagonisten der Revolution von 1979 verflechten, um zu erklären, warum sich Nicaragua wieder gegen eine neue Diktatur erhebt.
Der Dokumentarfilm stellt einige historische Parallelen zwischen jenem und diesem Kämpfe fest, indem er die wichtigen Gemeinsamkeiten aufzeigt sowie die wichtigen Unterschiede hervorhebt, vor allem den Verzicht dieses neuen Aufstandes auf den bewaffneten Kampf und das Setzen auf eine zivile und friedliche Lösung.
Viele dieser Berichte werden in dem Moment aufgezeichnet, in dem Polizei und paramilitärische Kräfte jedes Haus belagern auf der Suche nach den wichtigsten Anführern des Aufstandes – in einem Nicaragua, wo de facto Ausgangssperre besteht. Es sind Berichte, die in belagerten Sicherheitshäusern aufgenommen wurden. Andere wurden in Ländern wie Costa Rica oder Spanien aufgenommen, in denen diese Menschen Asyl gesucht haben, und von da aus ihre subversive Tätigkeit weiterführen. Es werden ebenfalls Geschichten von der alltäglichen Repression erzählt, beispielsweise die Situation der tausenden Verbundenen, denen die medizinische Behandlung in den staatlichen Krankenhäusern verwehrt wird und heimlich in Sicherheitshäusern von Ärzten behandelt werden, die ihren Beruf auf Spiel setzen und sogar ihre Freiheit. Der Film bringt auch den Zuschauern die dramatische Situation von mehr als 50 tausend Flüchtlingen näher, die das Land haben verlassen müssen, und alle vorgesehenen Aufnahme-Vorbereitungen in Costa Rica überfordert haben, wo sie sich in improvisierten Unterkünften zusammenpferchen.
Einige der protagonisten
Der autor des filmes
Daniel Rodríguez Moya
Spanischer Schriftsteller und Journalist, Experte auf dem Gebiet Geschichte Nicaraguas im XX. Jahrhundert. Seine Doktorarbeit – benotet mit dem Prädikat Summa Cum Laude – widmet sich dem Thema der Auswirkungen der Sandinistischen Revolution auf Bildung und Kultur Nicaraguas.
Als Regisseur ist er Autor von Arbeiten wie dem Dokumentarfilm „Me gustan los poemas y me gusta la vida“ (zu Deutsch: Mir gefallen die Gedichte und mir gefällt das Leben) über die Poesie-Werkstätte für krebskranke Kinder in einem Krankenhaus in Nicaragua, mit dem er am Al Jazeera International Documentary Film Festival 2015 teilnahm und es bis in die Schlussrunde schaffte. Er ist auch Autor des Dokumentarfilms“Brigadistas“ (2016) über die freiwilligen Spanier, die 1980 in Nicaragua alphabetisierten.
Was seine literarische Seite angeht, wurde er von etwa 100 Universitäten (Harvard, Oxford, Princeton, Columbia, La Sorbone, u.a.) als einer der relevantesten Autoren seiner Generation für den Band „El canon abierto: Gegenwartspoesie auf Spanisch“ ausgewählt. Sein literarisches Werk ist in verschiedenen Ländern veröffentlicht und in verschiedene Sprachen übersetzt worden.